Südliche Nordsee- und Ärmelkanalküste

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Es ist eines dieser Wochenenden im Mai 2015, an denen ich einfach einmal wieder `raus muss. Ich habe Hunger auf guten Fisch und Bock `drauf ein wenig Asphalt unters Vorderrad zu nehmen.

Zu dem ergibt es sich, dass ein Freund gerade seinen Urlaub ganz spieserisch mit Auto und Wohnwagen auf einem dieser Ferien-Campingplätze im niederländischen Groede verbringt. Da ich ihm ein paar Wochen zuvor bei der Reparatur der Vorderradgabel seiner 650’er BMW geholfen hatte, will er sich erkenntlich zeigen und hat mich bei frei Essen und Trinken zu sich in den Urlaub eingeladen.

So entschliesse ich mich die Einladung anzunehmen und Groede als erste Übernachtungs-Station einer dreitägigen Motorradtour entlang der südlichen Nordsee- und Ärmelkanalküste zu machen.

Tour Omaha Beach
Route der Nordsee und Ärmelkanal Tour

Als ich mich also an einem Samstagmorgen auf meine, mit allem Nötigen bepackte K 100 Basic 2 setze, geht es von Bonn aus in Richtung Den Haag zum Fischessen. Die Niederlande sind nicht gerade das klassische, mit Kurven versehene Motorradland, weswegen ich den Weg dorthin über die Autobahn abspule.

Bei Hamminckeln setzt heftiger Regen ein, ich muss mein Regenzeugs anlegen, was ich bis Den Haag dringend anbehalte.

Vispaleis in Scheveningen
Hier in Den Haag - Scheveningen am Vispaleis im Hafen gibt's den besten Fisch

Gegen Mittag, bei heftigem Regen erreiche ich also Den Haag und steuere schnurstracks den Hafen von Scheveningen an. Hier, am 2. Binnenbecken hinten in der Ecke, gibt es eine etwas grössere Fischbude, das „Vis Paleis“.

In den 70’er Jahren, als Kind, lebte ich vier Jahre in Den Haag und kenne das „Vis Palais“ aus der Anfangszeit, als es nur ein simpler Wohnwagen mit Friteuse war. Seit je her gibt es hier den – zumindest für mich – weltweit besten und frischesten Fisch.

Meine Empfehlung: „Bakvis met knooflok Sauce!“

Kulinarisch ist das ein Erlebnis, genauso wie der Akt, sein Essen vor den allgegenwärtigen Möwen schützen zu müssen. Mehr sage ich nicht, probier es selber aus!

Den Haag für sich, mit all seinen Sehenswürdigkeiten und Freizeitangeboten, ist schon eine Reise wert. Einmal von dem Strand und dem Dünengürtel abgesehen seien unter vielen anderen Attracktionen wie die Miniaturstadt Madurodam, die Pier in Scheveningen, der Friedenspalast als Sitz des internationalen Gerichtshofes, die historische, überdachte Einkaufspassage oder der Binnenhof als Sitz der niederländischen Regierung erwähnt.

Kijkduin
Atlantic Hotel und Promenade in Kijkduin - Den Haag

Campingplätze mit allem Komfort gibt es in Wassenaar und in Kijkduin. Wer lieber ins Hotel geht und direkt am Strand wohnen möchte, dem kann ich z.B. das NH Alantik Hotel Kijkduin äusserst empfehlen.

Der Regen hat aufgehört. Satt und vollgefressen, führt mich der weitere Weg von Den Haag vorbei an den Glashausfeldern der Tomatenzucht bei Monster nach Hoek van Holland.

Monster
Glashäuser bei Monster: Hier kommen all die Tomaten her!

Fahrerisch ist das alles fernab jeglicher Herausforderung. Für den adrenalingescheuchten Motorradfahrer ist eine Tour durch das gemütliche Holland äusserst langweilig. Der Verkehr fließt sachte und gemütlich mit 50 bis 70 km/h daher. Ob der niederländischen Verkehrsüberwachung hältst Du dich besser an Geschwindigkeitslimitierungen, sonst wird’s teuer! – Auch solltest Du stets auf Fahrradfahrer achten! – Die haben im Zweifelsfall immer Vorfahrt und im Unfall immer Recht!

Hoek van Holland
Hoek van Holland
Hafeneinfahrt Rotterdam
Die Hafeneinfahrt zu Rotterdam

Hoek van Holland ist die Hafeneinfahrt nach Rotterdam. Ganz früher einmal war die Landschaft durch Dünen und freie Sandflächen geprägt. Es gab ein Pfannkuchenhaus, das Berühmtheit erlangte. Heute ist alles mit Strandbuden, - clubs und –cafes vollgebaut und versprüht eine irgendwie wilde und abenteuerliche Atmosphäre. Von Hoek van Holland aus gilt es für mich zunächst einmal auf die andere Seite der Hafeneinfahrt zu kommen, um mich dann durch Zeeland, das Rheindelta von Insel zu Insel bis nach Groede zu wurschteln.

Zeeland
Lange, flache Straßen in Zeeland

Und, was soll ich sagen? Trotz mangelder Kurven macht mir das Holland-Cruisen Spaß. Es gibt irgendwie immer etwas zu sehen und der salzige Wind, der mir während dieser Etappe um die Nase bläst, erhält mir dieses freudige Lebensgefühl als Motorradfahrer Wind und Wetter zu trotzen.

Roompot
Die Flutwehre sind gleichzeitig Straßenverbindungen zwischen den Inseln

Das interessante an Zeeland sind die Flutwehre! Ende Januar 1953 gab es die bisher schwerste Sturmflut der Nordsee, welche alleine in Holland über 1800 Todesopfer forderte und immense Schäden verursachte. Als Folge der Katastrophe wurde der „Deltaplan“ entwickelt und das Rheindelta mit Flutwehren und Deichen massiv gesichert. Die Deiche und Schleusen erhalten bei ruhigem Wetter den natürlichen Einfluss der Gezeiten und verbessern zugleich die Infrastruktur der Region, da sie alle befahrbar sind und als Brücken die Inseln miteinander verbinden.

Deltaplan
Flutschleusen und Windkrafträder

Aus neuzeitlichen Entwicklungen heraus wird die Landschaft nun auch durch die Propeller von Windkraftanlagen mit geprägt.

Am Abend komme ich schließlich auf dem Campingplatz in Groede an, welches noch zu den Niederlanden gehörend, auf der belgisch zugewandten Seite des Rheindeltas liegt.

Mit dem dort Urlaub machenden Kumpel habe ich einen schönen, feucht fröhlichen Ausklang des Tages. – So fröhlich, dass ich am nächsten Morgen erst so gegen elf, halbzwölf mich wieder auf den Weg machen kann.

Zeebrügge
In Zeebrügge fragte ich mich schon: Wohin des Weges!

Immer am Meer bleibend fahre ich über den Ort Knokke Heist nach Belgien ein. Ich war nie an der belgischen Küste und will mir das halt einmal anschauen. Den ersten Stopp mache ich im Hafen Zeebrügge. Schnell ein Foto schiessen und der Ausschilderung Richtung Oosteinde folgend, stehe ich nach 500 m vor einer hochgefahrenen Zugbrücke. Ich warte und warte und warte! – Die Straße bleibt versperrt! Bestimmt 30 Minuten bis mir die Sache spanisch vorkommt. Da wo ich zuvor fotografiert hatte, verläuft die dortige Straße doch eigentlich parallel in die gleiche Richtung, wie die jetzt gesperrte. Also, zurückfahren und ausprobieren! Siehe da, ich habe Recht! Zu meiner Überraschung ist auch hier eine Brücke, nur halt passierbar. – Wahrscheinlich ist wohl der Brückenwärter für die Hauptstrecke eingeschlafen! –

Zugbrücke in Zeebrügge
Warten vor der Brücke!

Egal, jetzt habe ich’s ja und weiter geht’s entlang der Küste.

Ein Kreisverkehr nach dem anderen, vorbei an den alten Bunkern des Atlantikwalls, durch die Ortschaften De Haan, Oosteinde und Middelkerken, wonach ich dann die französische Grenze überquere und gegen 17:00 Uhr Dünkirchen erreiche.

Atlantikwall
in Belgien sieht man noch einiges vom Atlantikwall
Dünkirchen
Dünkirchen

Wow, fast fünf Stunden für nur ca. 110 Kilometer! Eigentlich habe ich mir in den Kopf gesetzt, heute noch in die Normandie, zum jetzt noch rund 430 Kilometer entfernten Omaha-Beach zu fahren.

Ich entschliesse mich, auf die weitere Besichtigung des im zweiten Weltkrieg tragisch bekannt gewordenen Dünkirchens zu verzichten und dieses Klein-Klein-Gefahre an der Küste zu unterlassen und gebe meinem Motorrad die Sporen.

Eurotunnel
Hier geht es nach England - die Einfahrt zum Eurotunnel bei Calais
Boulogne-sur-Mer
Die Basilika in Boulogne-sur-Mer
Pont-du-Seine
Der Pont-du-Seine bei Le Havre: Motorräder zahlen keine Maut!

Autobahn - Calais, Boulogne-sur-Mer, über den wirklich beeindruckenden Pont du Seine bei Le Havre bis zum Camping Omaha Beach bei Vierville-sur-Mer.

Um 21:30 fahre ich beim Camping Platz vor!

Hier ist natürlich schon alles im Feierabend und geschlossen. Jedoch habe ich Glück, der Campingplatzbetreiber wohnt hier direkt über der Rezeption und hat mein Motorrad gehört, schaut aus dem Fenster und bedeutet mir freundlich einen Moment zu warten. Ich komme also doch noch auf den Platz.

Omaha Beach
Omaha Beach

Camping Omaha Beach ist groß und wirkt ordentlich und gepflegt. Neben mir sind maximal fünf andere Camper auf dem Platz. Ich kann mir also aussuchen wohin. Zu meinem Entzücken liegt der Campingplatz auf den Klippen oberhalb der südlichen Spitze von Omaha Beach. Mein Zelt baue ich direkt am Klippenrand auf und habe einen fantastischen Blick auf’s Meer und den so geschichtsträchtigen Landungsplatz der Allierten des letzten Krieges.

Das Wetter war den ganzen Tag sonnig gewesen. Nach dem Zeltaufbau packe ich den Proviant und die Kochutensilien aus. Eine Weile später genieße ich, Tortellini in Sahnesoße essend bei einer Flasche Bier, den Sonnenuntergang. Mit einem gewissen inneren Stolz, die Etappe hier hin doch geschafft zu haben, sitze ich einsam und sehr zufrieden oben auf  dieser Klippe und versuche mir vorzustellen, was alles an diesem Omaha Beach geschehen ist. Wie würde unser Leben in Europa heute aussehen, wenn die Invasion damals gescheitert wäre? Könnte ich dann diese unbehelligte Freiheit genießen, einfach so durch Europa, von Land zu Land zu reisen? Der historische Platz zieht mich in seinen Bann!

Mit eintretender Dunkelheit werde ich müde und schlafe ein. Am kommenden Morgen weckt mich greller Sonnenschein. Der Blick auf’s Meer ist wunderschön, zeigt mir in der Ferne jedoch deutlich eine herannahende Schlechtwetterfront. Omaha Beach präsentiert sich aufgrund herrschender Ebbe mindestens drei Mal größer als am Abend zuvor.

Camping Omaha Beach
Auf der Klippe über Omaha Beach

Nicht in Hetze, aber zügig genieße ich Kaffee und Frühstück. Es geling mir allen Krempel wie Zelt, Schlafsack und alles andere trocken zusammen zu packen und habe es genau beim ersten Regentropfen auf der Maschine fest gezurrt.

Vierville-sur-Mer
Vierville-sur-Mer: Eines der vielen Invasions-Museen
Klippe bei Omaha Beach
Auf der Klippe befindet sich der "Camping Omaha Beach"
Omaha Beach Denkmal
Das Omaha Beach Denkmal
Omaha Beach Museum
Das Omaha Beach Museum

Dieser erste Regen ist nur ein Vorbote dessen, was da an Unwetter heranrückt. So habe ich das Glück, Omaha Beach und Umgegend noch ein wenig erkunden zu können, bevor das Wetter wirklich loslegt. Als ich schließlich die ca. 750 Kilometer lange Heimfahrt antrete, sind Sturm und Regen aber da. Es gelingt mir jedoch wieder aus der Wetterfront herauszufahren. Den ganzen restlichen Tag liefere ich mir ein Rennen mit dem Wetter, welches ich am Ende dahingehend gewinne, dass es nie so naß wird, als dass ich mein Regenzeugs hätte anziehen müssen.

Abenteuerlich ist die erneute Überquerung des Pont du Seine bei Sturm. Blut und Wasser schwitze ich – auf dieser gefühlt 100 m hohen Brücke in voller Schräglage bei Geradeaus-Fahrt!

Zu Hause angekommen, habe ich eine schöne Drei-Tages-Tour mit nicht ganz 2000 km gemacht. Es hat sich gelohnt, und am nächsten Tag würde ich am liebsten gleich weiterfahren, irgendwo hin, egal wo – Hauptsache auf Tour!

Omaha Beach Memorial
Inschrift des Omaha Beach Denkmals

Text und Fotos: Henning Wiekhorst

 

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