Harley Davidson XL 883R

Harley Davidson Sportster XL 883R – Modelljahr 2009: - Persönliche Eindrücke –

 

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Harley Davidson XL 883R - Modell 2009
Es hat etwas uriges mit der XL 883R auf Spritztour zu sein!

Im Herbst 2015 bringt mir ein guter Freund aus dem Hunsrück seine Harley Davidson zur Überwinterung und Pflege. Eine gute Gelegenheit für mich alten BMW-Fahrer, mir so ein Ami-Teil genauer anzuschauen und zu prüfen, ob meine Resantiments gegenüber Harley Davidson begründet sind oder nicht.

Mir sind Harley’s bisher immer als schwere, unhandliche und technisch anfällige Motorräder erschienen. Vielen Gerüchten Glauben schenkend, nicht besonders gut verarbeitet und mit stark rostgefährdeten Chromteilen. Die Harley’s waren der Inbegriff für teure Motorräder! Optisch haben die Modelle ihren Reiz. Der viel gerühmte Klang einer Harley Davidson ist nicht schlecht, aber es gibt auch anderes. Die Punkte Optik und Klang sind jedoch Geschmackssache, die jeder mit sich selber ausmachen muss.

Mein Kumpel fährt nicht viel, um nicht zu sagen, so gut wie gar nicht mehr. Und so kommt es, dass die in meine Obhut gehende Maschine zwar über fünf Jahre alt ist, aber mal gerade 2.100 km gelaufen hat und drei Monate zuvor beim Service war. Ich bekomme also eine technisch, fast neue, unverbaute, originale Sportster hingestellt.

Als ich schließlich alleine mit der Harley in meiner Garage bin, packe ich die Putzlappen aus. Alte Regel, wenn Du eine Maschine kennenlernen möchtest, putze sie! Dabei habe ich schon so manches entdeckt. – Und, ich muss es gestehen, in diesem Fall nur Gutes!

Das Motorrad hat etwas Patina angesetzt. Alle blanken Metallteile wirken matt, Chromteile zeigen stellenweise beginnenden Rost! Beim Saubermachen und Polieren stelle ich zu meiner Freude fest, dass blanke Aluminiumteile bei Harley Davidson nicht mit Klarlack überzogen werden. Somit sind sie immer wieder polierbar. Ein wenig Metallpolitur und sie glänzen wie neu. Das Gleiche mit dem Chrom. Beim Rost handelt es sich um reinen Flugrost, den ich schon mit dem blanken Finger wegreiben kann. Keine Pickel, keine Beschädigungen des Chroms! – Allso, alles doch nicht so schlecht!

Die gesamte Verarbeitung, Schweißnähte, Lack usw. vermitteln mir einen unerwartet hochwertigen Eindruck und ich komme nicht umhin Harley Davidson ein Lob aus sprechen zu müssen. Meine Resantiments diesbezüglich erweisen sich soweit als komplett unbegründet!

Schrauben tue ich nicht an der Sportster! – Zum einen gibt es dazu, ausser meiner Neugierde, keinen technischen Grund und zum anderen besitze ich kein zölliges Werkzeug!

Somit beschränkt sich die weitere Betrachtung der XL 883R auf nutzungstechnische Belange.

H-D Sportster 883R
5 Jahre alt und doch wie neu

Ich mache mir zunächst einmal klar, womit ich es hier überhaupt zu tun habe:

Mit der Sportster XL 883R handelt es sich im Jahr 2009 um die kleinste und mit damals knapp über 8.000 Euro auch um die günstigste Maschine in der Modellpalette von Harley Davidson. Stehe ich vor dem Motorrad, so wirkt es nicht gerade groß.

Verwunderlich! Mit ihren 883 ccm Hubraum, 53 PS bei 5.900 U/min und einem Drehmoment von 70 Nm bei 3.750 U/min ist die „kleine“ Harley Davidson gemäß den Definitionen zur Motorradklassifizierung, welche früher noch galten, ein „Big Bike“! – Nun, wer es nicht so sieht, schaue sich das Leergewicht von satten 260 kg an. Ein Klein-Motorrad ist das nicht mehr, auch wenn der Tankinhalt von nur 12,5 Litern dieses sehr wohl unterstellen möchte.

H-D Sportster: 12,5l-Tank
Das Tankvolumen von 12,5 L erlaubt eine Reichweite von knapp über 200 Km.

Dennoch ist die Tankreichweite mit etwas über 200 km, bevor die Reserveleuchte angeht, doch noch okay. Dieses sagt mir, dass der Spritverbrauch mit um die 4,5 l/100km modern niedrig ist.

Nun, schaue ich mir aber einmal die Entwicklungsgeschichte und Tradition der Harley Davidson Sportster Modelle an, so wird klar, dass Motorräder, die aus dem amerikanischen Dirt- und Flat-Track-Rennsport kommen, keine großen Tanks brauchen.

Heutzutage mögen die Leistungsdaten der Sportster aus sportlicher Sicht belächelt werden. Blicke ich zurück in die Vergangenheit, in das Jahr 1957, als die Sportster als Nachfolge der Harley Davidson K-Modelle ins Leben gerufen wurde, da waren diese Daten sehr sportlich und machten den britischen Motorrädern von Norton, BSA und Triumph das Leben schwer.

Sportster 883 R mit Evolution-Motor
Sportster Evolution Motor: Läuft zuverlässig und gesund!

Im Unterschied zu den großen „Big Twins“ der „Company“, befinden sich der Kurbeltrieb und das Getriebe in einem Gehäuse, statt in zwei getrennten.

In den 70zigern waren es die Sportster-Modelle die zuerst mit Neuerungen aufwarteten. Zurerst wurde die Trommelbremse am Vorderrad durch eine Scheibe ersetzt. Ab 1978 wurde hieraus gar eine Doppelscheibenbremse, nur um ein Beispiel zu nennen.

Harley Davidson mit Doppelscheibenbremse
Die Bremsen sind okay, ein ABS verlangt die Bissigkeit aber nicht!

Bei der letzten Motorenüberarbeitung, welche von Porsche begleitet wurde und was ab 1986 als Sporster Evolution bekannt wurde, folgte sie allerdings den Evolution-Motoren der „Big Twins“. Diese kamen bereits zwei Jahre zuvor und erwiesen sich seit dem als vollgasfest.

Seit 1986 kommt der Sportster-Motor bis heute fast unverändert daher. Einzig wurde 2007 noch die Spritaufbereitung von Vergaser auf elektronische Einspritzung umgerüstet.

Jetzt stehe ich vor so einer Harley Davidson, die vor lauter amerikanischer Motoradtradition nur so trieft. Die als wunderschön anzusehender Motorrad-Dinosaurier daher kommt! – Und dann ist das Ding mit einer Wegfahrsperre und einer schlüssellosen, fernbedienbaren Alarmanlage ausgestattet!

Auf Tour mit der H-D Sportster 883R
Harley Davidson verbindet faszinierend Nostalgie und Moderne

Die Maschine versprüht die Atmosphäre eines „Wurmloches“, welches die Verbindung von der Vergangenheit in die Moderne herstellt.

Als ich mich allso auf dieses modern ausgestattete „Raumschiff Orion“ setze, ich meine dieses fliegende Bügeleisen mit Lochstreifensteuerung, fällt mir die vergleichsweise niedrige Sitzposition und der tiefe Schwerpunkt positiv auf. Das Leergewicht von 260 kg ist unauffällig.

Beim Rangieren – auf dem Motorrad sitzend – stört der relativ große Wendekreis nicht so sehr, wie die weit herausstehende rechte Fußraste, mit der ich sofort negative Bekanntschaft mache. Nachdem ich schließlich die Fuhre mit staksigen Bewegungen auf die Straße ausgerichtet habe, kommt der nächste spannende Moment: Der Druck auf den Anlasserknopf! – Kickstarter? – Fehlansage, seit der Einführung des Evolution! Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da war es Ehrensache eine Harley anzutreten! – Muss ich den Choke zum Kaltstart ziehen? – Nein, so etwas gibt es auch nicht! – Ich drücke einfach nur auf den Knopf!

Der Anlasser dreht den Motor einmal durch und dann erwacht er, sich heftig schüttelnd, aber ohne Probleme. Sofort stampft das Aggregat los, bei solidem Klang und etwas höherer Kaltstartdrehzahl, welche sich nach wenigen Momenten herunter regelt.

Den linken Fuß auf die Raste stellend, lege ich mit der Fußspitze den ersten Gang ein, nachdem ich zuvor die Kupplung gezogen habe. – Klong! – der Gang ist `drin! Na, da können sich die Getriebe der alten Zweiventil-BMW`s aber noch etwas abschauen – die Harley kracht lauter!!!

Ich lasse die sanft gehende Kupplung kommen und erhalte solide stampfenden Vortrieb – ich fahre! Das Gas ist angenehm leichtgängig. Ansonsten bin ich auf den ersten Metern mit dem Finden der richtigen Sitzposition beschäftigt. Irgendwie ist es ein wenig anders, als gewohnt.

Die rechte Fußraste nervt, und an der ersten Ampel lege ich mich wegen der fast auf den Pinsel. – Da ist das Ding tatsächlich dem Absetzen meines Fußes im Wege! – Also, wäre das meine Harley Davidson, würde ich jetzt nach Hause umkehren und die Flex auspacken!!!

XL 883R Sitzbank
Die Sitzbank der Sportster tut ihren Dienst.

Hinsichtlich der Sitzposition habe ich nicht viel zu meckern. Der Tank ist recht klein und ich „throne“ ohne Knieschluß zum Tank auf dem Sitzpolster.

Auf der rechten Seite verhindert zu dem der heraus stehende Luftfilter den Tankkontakt, worin sich wahrscheinlich auch diese nervende rechte Fußraste begründet. Ist der Fuß aber einmal auf der Raste, so gewöhne ich mich schnell an das Teil.

Die Sitzbank ist okay, nicht sonderlich gut, aber auch ohne Anlaß zum Meckern. Ich vermute, dass auf längeren Touren sich mein Gesäß allerdings nach besserem sehnen würde. Hierbei muß ich jedoch erwähnen, dass die kleine Sportster sicherlich nicht den Anspruch erhebt, ein Langstreckentourer zu sein. - Nein, die XL 883R ist eher etwas für die Spritztour am Samstagnachmittag oder für die Fahrt zur Eisdiele.

Wie dem auch sei, nachdem ich mich eingewöhnt habe, bemerke ich einen deutlichen Spaßfaktor, den die Sportster vermittelt. Die kleine Harley Davidson hat definitiv Charakter. Der wird wahrscheinlich nicht jedermanns Sache sein, aber mir gefällt er!

Zusammenfassend nach mehreren Ausfahrten und insgesamt etwas über 1.000 Kilometern, hinterlässt die Sportster bei mir einen positiven Eindruck.

Der Motor läuft solide und gesund. Die Fahrleistungen sind okay und erlauben eine gelassen Flotte Gangart. Die angebene Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h erreicht die Fuhre ohne Probleme, wobei „Worp 1“ aber sicherlich nicht erreichbar ist.

Harley Davidson XL 883R am Rhein
Bestens geeignet zum Genuss langer Landstraßenkurven!

Das Fahrwerk bezeichne ich als gutmütig. Bei Tempo 160 in engeren Autobahnkurvenkurven stelle ich eine leichte Neigung zum Pendeln fest. Gefährlich ist dieses aber nicht, zumindest nicht für den geübten Fahrer. Auch die Hatz durch kleine Eifelkurven oder gar Serpentinen ist nicht die Haupt-Domain der kleinen Sportster. Richtig viel Spaß machen Strecken mit etwas weiteren Landstraßenkurven a la Bundesstraße.

Die Federung darf als komfortabel bezeichnet werden und gibt mir keinen Anlass zur Beschwerde. Erwähnen muss ich aber, dass ich nie Reisegepäck bei meinen Fahrten mit der Harley geladen hatte.

Der Motor stampft und rüttelt sich, ohne dass störende Vibrationen zum Fahrer durchdringen. Insgesamt macht mir der Motor einen sehr gesunden und soliden Eindruck.

Sportster Evolution Motor
Altbewährte Technik solide verarbeitet!

Alle Bedienelemente sind gut und leicht erreichbar. Einzig könnten die Kontroll-Leuchten vielleicht etwas grösser und damit auffälliger sein. Dieses gilt vor allem für die Tankreserveleuchte! – Als Manko möchte ich diesen Punkt aber nicht sehen.

Die Spiegel sind gut dazu geeignet, die während der Fahrt von den Oberarmen des Fahrers eingefangenen Fliegen zu lokalisieren. Drei Zentimeter längere Spiegelstangen würden Abhilfe schaffen!

H-D XL 883R: Kurze Spiegel
Die Spiegel nur drei Zentimeter länger wäre besser!

Die Bremsen verrichten ihren Dienst ausreichend und lassen den Wunsch nach einem ABS als obsolet erscheinen?!? Wer von einem Sportmotorrad auf die Harley umsteigt, sollte ggf. etwas vorausschauender fahren, als gewohnt.

Der Fairness halber muss ich aber darauf hinweisen, dass ich hier von einer Maschine des Baujahres 2009 spreche. Harley Davidson hat wohl seit dem die Bremsen an all seinen Modellen verbessert.

Insgesamt vermittelt mir die XL 883R einen bleibenden, positiven Eindruck. Jetzt, wo sie zurück bei meinem Kumpel ist, vermisse ich sie. Mein Interesse an einer Harley Davidson ist definitiv geweckt und sollte ich irgendwann einmal das Geld haben, wird mir sicherlich so ein Ding ins Haus kommen. Ich denke dabei an eine 1200 Custom oder die Low Rider. Letztere aber nur mit vorverlegten Fußrasten!

Harley Davidson XL 1200 Custom
Die XL 1200 Custom hat die Fußrasten mehr vorne, eine bequemere Sitzbank und einen größeren Tank. Gerne hätte ich so eine Harley!

Text und Bilder von Henning Wiekhorst

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