Zeltstangen: Wovon hängt die Stabilität ab?

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Wenn Zeltstangen brechen, ist das immer blöd! - Ich glaube, da sind wir uns alle einig.

Hierbei ist es zunächst völlig egal, ob wir uns über ein Iglu-, ein Geodät-, ein Tunnel-, ein First-, ein Tipi- oder sonst ein Zelt unterhalten.

Es mag zahlreiche Ursachen für einen Stangenbruch geben, wie z.B. eine unsachgemäße Handhabung, Alterung des Materials - vor allem bei Kunststoffstangen - oder der Zelteinsatz unter Bedingungen, für die das Zelt gar nicht ausgelegt ist. - Auch hier als Beispiel, die flexible Kunststoffstange eines Sommer-Iglus, welches jetzt im Winter bei - 20° benutzt wird.

Wenn ich jetzt, auf letzteres Beispiel bezogen, behaupte, dass eine solche biegsame Stange wahrscheinlich nicht gebrochen wäre, wäre sie aus Aluminium gewesen, dann wirst Du mir das wohl glauben. Es ist ja bekannt, dass unterschiedliche Materialien unterschiedliche Eigenschaften besitzen.

Wie groß aber ist der Stabilitätsunterschied zwischen Zeltstangen unterschiedlicher Materialien?

Ich betrachte hierzu die gerade, senkrecht stehende Zeltstange eines Tipis bzw. Lavvu's. Diese Zelte werden symmetrisch abgespannt und die Stange auf Knickung beansprucht. Eine Situation also, die sich gut als Beispiel eignet die Unterschiede und Auswirkungen verschiedener Materialien und Dimensionierungen darzustellen.

Zelt im Schnee
Tipi mit einer, senkrecht stehenden Zeltstange - links daneben ein Iglu-Zelt mit flexiblen Stangen

Die betrachteten Materialien sind Aluminium (z.B. AlMg 3) mit einem Elastizitäts-Modul von 70.000 N/mm^2, Edelstahl V2A mit einem E-Modul von 180.000 N/mm^2 und ein herkömmlicher Baustahl mit einem E-Modul von 210.000 N/mm^2.

Euler-Knickstäbe

Ausgehend von einer Zeltstange der Länge 2 m aus Rohr gefertigt mit einem Aussendurchmesser = 25 mm und einer Wandstärke = 2,5 mm, also einem Innendurchmesser = 20 mm, wird gemäß dem 2. Eulerfall die kritische Knicklast ohne Sicherheitszahl berechnet. Es wird hierbei von einer durchgehenden Zeltstange ohne Steckverbinder ausgegangen.

Wir dürfen in der Praxis davon ausgehen, dass die Stange nicht brechen wird, solange ihre Traglast unter der kritischen Knicklast liegt.

Abhängigkeit vom Material:

Nach Berechnung zeigen sich folgende Ergebnisse:

  • Aluminium: Traglast < 199,3 kg
  • V2A: Traglast < 512,5 kg
  • Stahl: Traglast < 598,0 kg

Die Betrachtung der Ergebnisse suggeriert, dass bei gleicher Stangendimensionierung Stahl die dreifache Traglast von Aluminium aufweist!

Abhängigkeit vom Durchmesser:

Stichwort: Dimensionierung! Welchen Einfluss hat diese? - Wir bleiben beim Aluminium und einer Stangenlänge von 2 m. Auch die Wandstärke halten wir bei 1 mm, variieren aber den Aussendurchmesser (AD). Der Innendurchmesser (ID) verändert sich somit natürlich auch:

  • AD = 30 mm / ID = 28 mm: Traglast < 168,8 kg
  • AD = 25 mm / ID = 23 mm: Traglast <   95,7 kg
  • AD = 20 mm / ID = 18 mm: Traglast <   47,6 kg

Abhängigkeit von der Wandstärke:

Nun belassen wir den AD bei 25 mm und die Länge bei 2 m, verändern aber die Wandstärke "t":

  • AD = 25 mm / ID = 24 mm; t = 0,5 mm: Traglast <   50,9 kg
  • AD = 25 mm / ID = 22 mm; t = 1,5 mm: Traglast < 135,1 kg
  • AD = 25 mm / ID = 20 mm; t = 2,5 mm: Traglast < 199,3 kg

Abhängigkeit von der Länge:

Bei der Dimensionierung einer Zeltstange spielt natürlich deren Länge eine erhebliche Rolle. Um dies zu veranschaulichen bleibe ich bei der Zeltstange aus Aluminium mit dem 25 mm AD und einem ID von 20 mm - also 2,5 mm Wandstärke. Variiert wird die Länge der Zeltstange. Verzeih mir die Anmerkung zur Eigenwerbung, die Zeltstange der Länge 2,30 m ist genau die, welche ich mit meinen MotorTrekking Spitzzelten ausliefere.

  • bei L = 1,70 m: Traglast < 275,9 kg
  • bei L = 2,00 m: Traglast < 199,3 kg
  • bei L = 2,30 m: Traglast < 150,7 kg
  • bei L = 2,60 m: Traglast < 117,9 kg

Wie stabil müssen Zeltstangen sein?

Generell bin ich der Meinung, eine Zeltstange braucht in ihrer Traglast nicht stabiler zu sein, als die Stoffkonstruktion des Aussenzeltes an Last halten kann, bevor sie reißt. Aus Kostengründen bevorzuge ich es, wenn die Stange bricht, bevor das Aussenzelt Schaden nimmt. Das einzige Argument, welches gegen meine Meinung spricht, ist bei Ofenbetrieb die Feuergefahr, wenn das Zelt kollabiert.

Wann aber besteht überhaupt die Gefahr eines Zeltbruches? - Mir fallen da witterungsbedingte Extremsituationen ein, wie z.B. plötzlich auftretende, starke Gewitterböen, starker Sturm und unerwartet einsetzender, heftiger Schneefall mit Naßschnee.

Vor allem bei Sturm stellt sich zu dem noch die Frage, wie fest sitzen die Häringe im Boden. Dieses hängt von der Bodenbeschaffenheit und den verwendeten Erdnägeln ab.

Nehmen wir als Beispiel das Finnmark 6-8, wie oben im Bild gezeigt ist. Das Zelt wiegt trocken gerundete 11 Kg. Ich nehme einmal an, dass ich über das Abspannen einen Druck auf die Zeltstange in etwa 30 kg entsprechend erzeuge. Somit komme ich auf eine nur durch das Zelt verursachte Belastung der Stange von 41 kg.

Schwerer Nass-Schnee hat eine Dichte von bis zu 150 kg/m^3. Eine 10 cm hohe Schneeschicht hiervon auf der Fläche eines Kreises mit 4,2 m Durchmesser wiegt folglich 208 kg.

In Summe sollte die Stange eine Traglast von mindestens 249 kg vertragen können. Zur Veranschaulichung, das ist, als ob sich drei erwachsene Personen oben auf die Zeltstange setzen!!!

Ein Zelt, welches nicht für den Winterbetrieb ausgelegt ist, mag mit einer schwächeren Zeltstange auskommen. Viel schwächer darf sie gefühlt aber nicht sein. Der Winddruck bei Windstärke 8 oder 9 sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden. Bei einer Rauhigkeitslänge von 0,055 m - diese beschreibt die Höhe vom Boden, in welcher volle Windgeschwindigkeiten erreicht werden können - drücken bei Windstärke 8 immerhin 13,25 kg/m^2 auf das Zelt. Bei Windstärke 9 ist der Druck bereits mehr als das Doppelte dessen. Auch wenn der Wind viel mehr die Zeltplane als solche belasten wird, so wird hierüber auch so einiges an der Stange rütteln und diese in ihrer Elastizität fordern.

Wie dem auch sei, wird bei allem oben Gesagten davon ausgegangen, dass die Zeltstange gerade steht. Vernachlässigt wurden auch die Steckverbindungen, welche, wenn sie zuviel Spiel haben, sicherlich eine Senkung der verträglichen Traglast bewirken. Entscheidend für die Festigkeit ist obendrein noch die Art, wie die Steckverbindungen gearbeitet sind. - Wurde das eigentliche Rohr durch einen Hämmer- oder Schmiedevorgang zum Steckdurchmesser verjüngt, oder wurde hier ein kleineres Stück Rohr eingeschoben? Während ersteres an der Verbindungsstelle eine massive Gefügeveränderung des Rohres und somit eine Material Schwächung am Übergang der Verjüngung bedeutet, so ist die Rohr-in-Rohr-Lösung de facto eine Rohrverstärkung, bei der die ursprunglichen Materialeigenschaften beibehalten werden. - Also auch dieses ist bei der Wahl der Zeltstange zu beachten, sofern der Einsatzzweck des Zeltes dieses überhaupt erforderlich macht.

Ich hoffe Dir mit diesem Artikel ganz allgemein ein wenig Gefühl und Wertschätzung für Zeltstangen vermittelt zu haben.

Stabile Zeltstangen!?!
Billig-Zelt nach leichtem Schneefall

 

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